ORIGINAL
JOSEFSTÄDTER NEUJAHRSKONZERT
~ DAS “ANDERE” NEUJAHRSKONZERT ~
SONNTAG 6. JÄNNER 2014
AUSFÜHRENDE PROGRAMM FOTOS

TEXTE zum Programm

(von Dr. Harald Schlosser)

zu Gioacchino Rossini (1792 - 1868)

Die SORGENBRECHER eröffneten das Original Josefstädter Neujahrskonzert 2014 mit der Ouverture zu Gioacchino Rossinis Oper "LA CENERENTOLA OSSIA LA BONTÀ IN TRIONFO" zu deutsch "Aschenbrödel oder der Triumph der Güte".

"Rossini in Wien" war von Anbeginn eine Erfolgsgeschichte; zu Lebzeiten Rossinis waren die Wiener in dessen Opern so vernarrt, dass sich Beethoven höchst selbst darüber mokierte. 1822, im Jahr der Erstaufführung von "LA CENERENTOLA" im Kärntnertortheater, fand trotzdem eine persönliche Begegnung Rossinis mit dem mürrischen und leider bereits vollständig ertaubten Beethoven statt - über den Inhalt dieser vermutlich etwas einseitigen Konversation ist uns leider nichts überliefert worden.

Johann Strauss Vater bezog sich in seinen Kompositionen mehrfach auf die populären Opern des "Schwans von Pesaro" wie Rossini auch liebevoll genannt wurde. Erinnert sei dabei beispielsweise an seinen "Wilhelm-Tell-Galopp" von 1829, der schon mehrfach Eingang in Dr. Harald Schlossers Programme für die Josefstädter Neujahrskonzerte gefunden hat oder sein Potpourri "Wiener Tagesbelustigung" aus 1830 in welchem Johann Strauss (Vater) auch Motive aus Rossinis Oper "La Cenerentola" verwendet hat.
> … und der Erfolg in Wien hält bis heute an; vor ungefähr einem Jahr begann Wilhelm Sinkovicz eine Cenerentola-Rezension in der Tageszeitung "Die Presse" mit dem Titel: "Der liebste Schwan der Wiener kommt aus Pesaro" Wenn Beethoven das geahnt hätte… Bleiben wir also noch einmal bei Rossini und seiner Version des Aschenbrödel Märchens…

Am Ende des 1. Aktes der Oper bleibt Aschenbrödel/Cenerentola - bei Rossini trägt sie den Namen "Angelina" - allein und verzweifelt bei der Haus- und Küchenarbeit zurück. Ihr Stiefvater Don Magnifico hat ihre Existenz verleugnet und ist mit den beiden Stiefschwestern zum Ball beim Prinzen Don Ramiro gefahren. Der Philosoph "Alidoro", der heimlich die Fäden für die Vorbereitung der Hochzeit von Don Ramiro zieht, erscheint als Bettler verkleidet, um Angelina doch noch rechtzeitig zum Fest zu bringen. Sie glaubt ihm anfänglich nicht, fühlt sich von Alidoro zum Narren gehalten, will ihn wegjagen und das Haus versperren. Es gelingt ihm aber, Angelina mit einer beeindruckenden Arie "Là del ciel, nel' arcàno profondo" zu überzeugen, dass der Himmel doch noch ein "Happy-End" für sie vorgesehen habe und dass am Ende die Unschuld und die Güte den Sieg über Neid und Missgunst davon tragen werden.

Diese Arie schrieb Rossini erst im Jahre 1820, zwei Jahre nach der Uraufführung, für die zweite Aufführungsserie, da ihm erst zu diesem Zeitpunkt ein entsprechend qualifizierter Sänger für die Rolle des Alidoro zur Verfügung stand. Im ORIGINAL JOSEFSTÄDTER NEUJAHRSKONZERT 2014 sang den Alidoro NICOLAS LEGOUX, und im Recitativ vor der Arie traf er als Angelina auf die Solistin aus der zweiten Programmhälfte, JASMIN REDA.

zu Strauss (Vater & Sohn) und Philipp Fahrbach d. Ältere (1815 - 1885)

Mit der Walzerfolge "HARFENKLÄNGE" wollen die SORGENBRECHER an den viel zu selten aufgeführten großen Josefstädter Musiker, Komponisten und Kapellmeister Philipp Fahrbach Senior erinnern, dessen Werke aus den Programmen des Original Josefstädter Neujahrskonzertes - dem ANDEREN Neujahrskonzert - nicht mehr wegzudenken sind.

Fahrbach begann im Alter von 17 Jahren seine musikalische Laufbahn als Flötist im Orchester von Johann Strauß Vater. Doch schon 3 Jahre später gründete er sein eigenes Orchester und war von 1838 bis 1856 Leiter der Hofbälle. Danach wirkte er bis 1865 als Militärkapellmeister unter anderem auch beim Wiener Hausregiment, den "Hoch- und Deutschmeistern". Neben seinem umfangreichen, mehr als 500 Werke umfassenden kompositorischen Schaffen war er auch literarisch für die "Allgemeine Musikzeitung" tätig.

Während Fahrbach mit seinen Zivil- und Militärkapellen im Sommer vorwiegend in Wien und in der näheren Umgebung konzertierte zog es Johann Strauß (Sohn), seinen großen Konkurrenten, mit der Strauß-Kapelle über viele Jahre hinweg im Sommer zu Gastspielen nach Russland. Je länger Strauß dort konzertierte, desto größer wurde der Anteil russischer Musik in den Konzerten. Überdies versuchte Strauß von allem Anfang an, die von Wien her bekannten Tanzformen mit slawischen Motiven anzureichern und kam dabei zu sehr interessanten Ergebnissen; Als kleines Beispiel dafür soll seine im Sommer 1860 im Pawlowsk entstandene Romanze Nr. 1 in d-moll mit den Solisten Rudolf LEOPOLD / Violoncello und Adelheid BLOVSKY-MILLER / Harfe dienen. Das Stück ist der Mutter eines russischen Großfürsten gewidmet, der ein sehr guter Cellist gewesen sein soll und angeblich auch "inkognito" mit der Strauß-Kapelle als Solist aufgetreten ist.

zu Carl Binder) (1816 - 1860) und Jacques Offenbach (1819 - 1880)

Als Jacques Offenbach 1858 in Paris mit seiner Operette "Orpheus in der Unterwelt" (französisch Orphée aux enfers) große Erfolge feierte wollte man auch in Wien nicht darauf verzichten. Niemand geringerer als Johann Nestroy bearbeitete das Stück und übernahm auch gleich die Partie des Jupiter. Die Instrumentation besorgte sein Hauskapellmeister Carl BINDER, der übrigens auch seine Berufslaufbahn am Theater in der Josefstadt begonnen hatte, ausgehend von einem im Wiener Musikalienhandel angebotenen Klavierauszug aus Paris.

So ersparte sich Johann Nestroy für sein Carl-Theater die Ausgaben für die Leihgebühren des Pariser Orchestermaterials. Die Verlags- und Urheberrechte waren um die Mitte des 19. Jahrhunderts grenzüberschreitend noch nicht so einfach durchsetzbar.

Es gab allerdings ein Problem:
Eine Operette benötigte in Wien jedenfalls eine Ouverture, genauso wie in Paris keine Opernaufführung ohne Verwendung des Balletts denkbar war. Da Offenbach für seinen "Orpheus" keine Ouverture komponiert hatte, erhielt Carl BINDER auch gleich den Auftrag, aus den Motiven der Operette eine Ouverture zu komponieren. Was dabei herauskam eröffnete den zweiten nTeil dieses Konzertes; eine zutiefst wienerische Betrachtung französischer Unterhaltungsmusik … und Offenbachs "Höllengalopp" wurde als "Can-Can" ein "Hit".

Das Original Josefstädter Neujahrskonzert 2014 bot aber auch Jacques Offenbach im Original:
Aus seiner Oper "Hoffmanns Erzählungen", deren Uraufführung der Komponist nicht mehr erleben sollte, präsentierten die Solisten JASMIN REDA UND NICOLAS LEGOUX begleitet vom Ensemble "Die Sorgenbrecher" die Arie der mechanischen Puppe "Olympia" «Les oiseaux dans la charmille»aus dem 1. Akt und die Arie des Bösewichts "Dappertutto" aus dem 4. Akt «Scintille diamant».

zu MORGENBLÄTTER - ABENDBLÄTTER

Im Fasching 1864 gab die Journalisten- und Schriftsteller-vereinigung "Concordia" ihren zweiten Ball im Sofiensaal. Natürlich sollte die Strauß- Kapelle beim Concordiaball aufspielen und ebenso selbstverständlich sollte der Herr Hofball-Musikdirektor Johann Strauß wieder einen großen Walzer als Ballwidmung beisteuern. Aber die Journalisten waren diesmal auch an Jacques Offenbach herangetreten und hatten auch ihn um einen Widmungswalzer gebeten. Der Wahlpariser hatte den Vorschlag prompt akzeptiert.

Er mußte im Jänner 1864 ohnedies nach Wien reisen, weil er Geschäfte mit den Vorstadttheatern abzuwickeln hatte, die seine Operetten spielten bzw. spielen sollten. Es sollten schließlich nicht alle seine Stücke so wie der "Orpheus" in der Form nicht vom Komponisten autorisierter Bearbeitungen dargeboten werden. Außerdem war für die erste Woche im Februar die Aufführung seiner Oper "Die Rheinnixen" am Kärntnertor-Theater vorgesehen. Offenbach lag viel am Erfolg dieses Werkes, und schon aus diesem Grund war er nur allzu gern bereit, die Journalisten so gut wie möglich zufrieden zu stellen: dazu sollte auch der Widmungswalzer für ihren Ball einen Beitrag leisten.

Es zeigte sich allerdings, daß Offenbach über die Entwicklung des Walzers auf Wiener Boden nicht so recht informiert war. Sein Concordia-Walzer bestand daher in einem, von den Tänzen Strauß-Vaters abgeleiteten, im französischen Stil gehaltenen Werk, das gewiß nicht als sensationell zu bewerten war. Aber Offenbach verließ sich auch in diesem Fall auf den Zauber, den viele seiner Melodien damals auf das Publikum - in Paris wie in Wien - ausübten. Die Journalisten gaben Offenbachs Widmung den Titel "Abendblätter".

Natürlich erfuhr auch Strauß von dieser Einladung an Offenbach. Er ging daraufhin mit besonderer Sorgfalt an die Ausarbeitung seines zweiten Concordia-Walzers. Wenig Freude hatte Strauß damit, daß die Journalisten seiner Widmung den Titel "Morgenblätter" gaben. Er hätte die direkte Gegenüberstellung mit Offenbach gern vermieden - ging ihr aber auch nicht aus dem Wege.

In unseren Tagen gehört der Walzer "Morgenblätter" zu den Standardwerken der Neujahrskonzerte der Wiener Philharmoniker und zählt nach dem "Donauwalzer" weltweit zu den populärsten und bekanntesten Kompositionen von Johann Strauß Sohn. Da sich das Original Josefstädter Neujahrskonzert als "Das andere Neujahrskonzert" verstanden wissen will, beendeten die Sorgenbrecher den offiziellen Teil dieses Konzertes mit der Walzerfolge "Abendblätter" von Jacques Offenbach.